Rostocker InsurTech hepster über das Gründen in Mecklenburg-Vorpommern
Rostock – Mecklenburg-Vorpommern ist mit seinen langen Stränden, traumhaften Radwegen und seiner Seenplatte bekannt als eines der beliebtesten (inner)-deutschen Reiseziele. Das Bundesland an der Ostsee wirbt damit, ein „Land zum Leben“ zu sein, aber ist es auch ein Land zum Gründen? An ein Startup-Ökosystem und Scale-Ups, innovative Business Cases und Serien-Gründungen denken wohl die wenigstens, wenn sie auf der Autobahn Richtung Norden unterwegs sind. Das InsurTech hepster hat 2016 in Rostock den Schritt in die Gründung gewagt und gibt nun einen persönlichen Einblick in das norddeutsche Gründerleben sowie die Vorteile und Vorurteile einer Gründung in MV.
Gründen in MV – Zwischen Ostsee-Strand und Business-Plan
Mecklenburg-Vorpommern besticht Einwohner und Touristen gleichermaßen mit seinen 2.000 Kilometern Küste, unzähligen Seen und schönen Schlössern. Dabei bietet das Bundesland nicht nur Landschaft mit Meerblick, sondern auch neue Möglichkeiten der beruflichen Selbstentfaltung – wenn auch mit einigen bürokratischen Hürden. Diese Erfahrungen teilt auch das Rostocker InsurTech hepster.
„Als wir uns im Frühjahr 2016 gegründet haben, hatten wir bereits einen einigermaßen steinigen Weg hinter uns, gesäumt von unzähligen Beratungsansätzen, Konzeptionen, Networking-Events, Förderanträgen, Business-Plänen und Bürokratie“, erinnert sich CEO und hepster-Gründer Christian Range. „Es gab damals nicht die eine Anlaufstelle für Gründer:innen, sondern sehr viele verschiedene Anlaufstellen. Gerade für uns als Startup in der Finanzdienstleistungsbranche mit komplett digitalem Geschäftsmodell war es nicht einfach, die richtigen Ansprechpartner:innen schnell zu finden.“
Dennoch legte das InsurTech ein rasantes Wachstum hin: Nach nicht einmal fünf Jahren besteht das Unternehmen aus fast 50 Mitarbeiter:innen, arbeitet bereits mit mehr als 300 Kooperations-Partnern zusammen und hat allein in diesem Jahr mehr als 60.000 Endkund:innen von seinen Versicherungen überzeugen können. So schafft hepster moderne, zukunftsfähige Arbeitsplätze in neuen digitalen Geschäftsmodellen.
Ein Bundesland mit Gründungspotenzial
Die Politik in Mecklenburg-Vorpommern hat bereits seit einiger Zeit verstanden, dass Startups eine wichtige Rolle für das wirtschaftliche und gesellschaftliche Wachstum der Region spielen. Unter anderem unter der Schirmherrschaft des Ministers für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Christian Pegel wurden in den vergangenen Jahren und Monaten viele Initiativen, Projekte und Veranstaltungsformate aus der Wiege gehoben. Das Ziel: Mecklenburg-Vorpommern nach innen attraktiver für die Etablierung digitaler Geschäftsmodelle und nach außen besser bekannt für das bestehende Startup-Ökosystem zu machen. Es wurden entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen, die eine erste Finanzierung sowie den Erwerb von passenden Büro- und Gewerbeflächen ermöglichen.
Besonders engagiert und für die erfolgreiche Entwicklung von hepster maßgeblich waren hierbei unter anderem die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mit einer ersten Finanzierung der Gründungsidee - inzwischen inklusive Folge-Investitionen - sowie das Zentrum für Entrepreneurship der Universität Rostock mittels kontinuierlichen Engagements und Einbeziehung der regionalen Startups in eine Vielzahl von Veranstaltungen und Projekten.
Regionale Herausforderungen und Zurückhaltung der Wirtschaft
Neben der Unterstützung aus der Politik ist für ein Startup auch die Integration in die regionale Wirtschaft wichtig. Hier haben sich für hepster als InsurTech in den letzten viereinhalb Jahren wenig Anknüpfungspunkte ergeben. Obwohl das Startup Geschäfte mit Kooperationspartnern in ganz Deutschland und Österreich macht, kam es trotz einiger Bemühungen innerhalb des Bundeslandes bis heute zu keiner Zusammenarbeit. Die Kooperationsbereitschaft von etablierten, langjährig erfolgreichen Unternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern war verschwindend gering. „Die ersten Referenzen eines jungen Unternehmens oder Startups stammen im Normalfall aus der Region. So können alle Beteiligten von dem Innovationsgeist und den Erfahrungen lernen, daran wachsen und sich weiterentwickeln. Gegenseitige Unterstützung ist essenziell“, so Christian Range. Warum mangelt es in MV an regionaler Kooperationsbereitschaft? „Aus unserer Sicht begründet sich dies einerseits im mangelnden Vertrauen in junge Unternehmen und andererseits in der fehlenden Erfahrung mit solchen Kooperationen“, sagt Alexander Hornung, General Manager und Mitgründer von hepster. „Letztlich können wir aber immer nur unsere eigenen Erfahrungen wiedergeben. Wir wissen, dass andere Startups aus der Umgebung diesbezüglich mehr Erfolg hatten.“
Jonas Flint, Geschäftsführer von Koopango und wie hepster seit 2016 aktiver Teil des Gründer-Ökosystems MV dazu: “Für unser Geschäftsmodell (spezielle Software für Indoor Navigation) haben sich in den vergangenen Jahren mehr Türen in der regionalen Wirtschaft geöffnet als geschlossen.” Auch für kleine Gründerteams und Selbstständige wächst in Mecklenburg-Vorpommern der Raum, beispielsweise durch verschiedene Co-Working-Spaces in Rostock, Schwerin und Stralsund. So lassen sich in den Rostocker Co-Working-Spaces junge Unternehmen wie YourCar oder Lakör nieder und nutzen die Vorteile des geteilten Büroraumes für sich.
Enge Bande in einem überschaubaren Ökosystem
Einen klaren Vorteil im Norden haben Startups und Gründer, die sich auf die regionalen Eigenschaften des Standorts fokussieren. Dazu zählen vor allem die maritime Wirtschaft, erneuerbare Energien und der Tourismus-Sektor. MV ist somit kein klassischer Standort für Gründungen im Dienstleistungssektor. „Unser Geschäftsmodell der digitalen, distributionsgesteuerten Versicherungen ist recht spezifisch. Mitunter fehlt es den Gründerzentren und Investoren hier in MV an Erfahrungen und dem Verständnis für solch neue und komplexe Geschäftsmodelle“, so Alexander Hornung. „Die Gründerszene in MV fokussiert sich aktuell noch eher auf die Förderung von kleineren und tradierten Unternehmenskonzepten. Hier fehlt es häufig an Fantasie und Risikobereitschaft zur Skalierung: mehr Wachstum, mehr Mitarbeiter und mehr Umsatz. Viele Möglichkeiten bleiben so ungenutzt, da die Vorstellungen und Ziele der Beteiligten oft zu weit auseinander gehen. Das erschwert es jungen Gründer:innen mit Tech-Hintergrund hier Fuß zu fassen.“
Die regionalen Herausforderungen auf der einen und die (noch) überschaubare Anzahl an Startups mit Marktreife auf der anderen Seite hat in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass die jungen Unternehmen enger zusammengerückt sind. „Es gibt einen harten Kern an Startups, die, auch wenn sie aus sehr unterschiedlichen Branchen kommen, seit Jahren immer wieder aufeinandertreffen und versuchen, sich gegenseitig und die Politik bei ihren Vorhaben rund um das Thema Digitalisierung zu unterstützen“, so hepster-Gründerin und COO Hanna Bachmann.
Mecklenburg-Vorpommern: Das Land zum Leben(?)
Die Zahl der Neugründungen steigt in Deutschland kontinuierlich. In sogenannten Startup-Hochburgen wie Berlin, München und Hamburg werden jährlich bis zu mehrere hundert Unternehmen neu gegründet. Laut dem Startupdetector Report 2019 wurden in Mecklenburg-Vorpommern hingegen im vergangenen Jahr insgesamt nur 17 Unternehmen mit innovativen, digitalen Geschäftsmodellen aus der Wiege gehoben. Doch während in Berlin und Co. die Startup-Szene bereits stark besetzt ist, profitieren Gründer in MV von der familiären Atmosphäre: „Als junges Unternehmen wachsen wir gemeinsam mit den Entwicklungen im Land. Während wir in Berlin mit unserer Geschäftsidee untergehen würden, profitieren wir hier von der Nähe zu anderen Startups sowie allen wichtigen Ansprechpartnern. Auch spielen wir in MV als Startup eine wirtschaftliche Rolle, da wir unter anderem nachhaltige und zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen und so motivierten und sehr gut ausgebildeten Berufseinsteiger:innen die Chance auf ein stetig wachsendes, anspruchsvolles Arbeitsfeld bieten“, erklärt hepster-Gründerin Hanna Bachmann. Erst in der letzten Woche hat das Handelsblatt eine Studie aufgenommen, die beispielsweise der Hansestadt Rostock gute Chancen quittiert, bis 2030 zu den Startup-Hochburgen in Deutschland zu gehören.
Das Bundesland selbst wirbt mit dem Slogan „Das Land zum Leben und Arbeiten“ und will so auch dem pressierenden Fachkräftemangel mit neuen und ehemaligen Mecklenburgern entgegenwirken. Die Nähe zum Meer, zur Familie und vergleichsweise niedrigen Lebenshaltungskosten überzeugen dabei Berufseinsteiger sowie Fachkräfte gleichermaßen: „Ich bin hier aufgewachsen, doch bereits während meines Studiums für ein Praktikum über zwölf Monate nach Australien gegangen. Im Anschluss schien mir Rostock für die ersten Berufserfahrungen zu eng, also entschied ich mich für das Rhein-Main-Gebiet“, berichtet Franka Laudahn, Account Managerin im B2B-Team von hepster. „Der Wunsch, irgendwann zurück in die Heimat zu ziehen, war immer präsent. Für mich als junge Mutter erwies es sich jedoch anfänglich als schwierig einen Job zu finden, der ein anspruchsvolles Arbeitsfeld mit einer attraktiven Vergütung in Teilzeitbeschäftigung vereint. Aber ich hatte Glück und wurde nach kurzem Umweg bei hepster fündig: familienfreundliche Work-Life-Balance und das innovative Geschäftsmodell lassen sich super vereinen.“
Unerwartete Herausforderung für Startups: Die Corona-Krise
Gerade während der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass junge Unternehmen mindestens so stark mit neuen Herausforderungen zu kämpfen haben wie etablierte Wirtschaftsgrößen. Die Startups der Region Mecklenburg-Vorpommern haben sich in dieser turbulenten Zeit als überdurchschnittlich robust und resilient gegen die Einflüsse der Pandemie erwiesen. Advocado, ein LegalTech aus Greifswald, GWA Hygiene, ein MedTech aus Stralsund, LunchVegaz, ein FoodTech aus Rothenklempenow, Vyble aus Rostock, die sich auf die Digitalisierung von Lohn- und Gehaltsabrechnungen spezialisieren – das sind nur einige der seit Jahren erfolgreichen jungen Unternehmen (so genannte „Scale Ups“) aus Mecklenburg-Vorpommern. Diese jungen Unternehmen profitieren von den Wachstumsgegebenheiten außerhalb der Startup-Hochburgen - ohne tägliche Meetups, eine unüberschaubare Masse an möglichen Investoren und Förderprogrammen an jeder Straßenecke auf der einen und ohne eine konstante Konkurrenz um überteuerte Büroflächen und qualifiziertes Personal auf der anderen Seite. Sie haben dafür gesorgt, dass die jungen Unternehmen von der Ostseeküste kreativer und motivierter in der Umsetzung ihrer Geschäftsideen mit weniger zur Verfügung stehenden Ressourcen sind. Martin Setzkorn, Geschäftsführer des Zentrums für Entrepreneurship der Universität Rostock bekräftigt: “Gerade in Rostock gibt es eine sehr starke Community rund um das Thema Gründung. Viele Entscheider und Entscheiderinnen aus Politik und Wirtschaft nehmen sich die Zeit für den Austausch mit Startups – daraus entstehen positive Energien und eine kontinuierliche Weiterentwicklung.” Auch die Frauenquote in den Gründerteams kann sich sehen lassen, einige Beispiele: Laura Gertenbach hat mit Innocent Meat eines der bekanntesten In-Vitro Startups in Deutschland gegründet, Fanny Fatteicher mit MediTex ein spannendes MedTech und auch im bei hepster findet sich mit Hanna Bachmann eine weibliche Gründerin.
Fazit: „Würden wir einem Startup empfehlen, in MV zu gründen? Definitiv!“
Auch wenn Mecklenburg-Vorpommern noch einiges beim Thema Startup- und Gründerförderung lernen kann, so ist das Bundesland doch auf einem guten Weg. „Würden wir einem Startup empfehlen hier zu gründen? Definitiv! MV entwickelt sich ständig neu und weiter, es entstehen neue Netzwerke, digitale Strukturen. Es passiert einfach unglaublich viel in diesem Land,“, fasst Hanna Bachmann zusammen. „Gründer:innen sollten sich trauen, nach MV zu kommen und die Vorteile und Strukturen des Landes für sich zu nutzen.“ Denn auch die Liste an Unterstützern ist lang: In den letzten Jahren haben uns viele Menschen und Institutionen im Land unterstützt. Als Startup muss man hartnäckig bleiben, der Weg ist für jedes Unternehmen individuell und lässt sich am Ende nicht pauschal vorgeben. MV bietet aber die Möglichkeit, bei entsprechendem Engagement ganz nah an den neuralgischen Punkten im Land zu sein und an der Entwicklung hin zum Gründer-Bundesland mitzuwirken.“ In den nächsten Jahren wird es sich Mecklenburg-Vorpommern zur Aufgabe machen müssen, Unternehmen mit Marktreife auch im Wachstum nachhaltig zu unterstützen. Hier fehlt es aktuell noch an geeigneten Instrumenten, aber Land und Wirtschaft haben dieses Problem erkannt und haben verstanden, dass Unternehmensgründungen und Startups genauso relevant sind, wie die Entwicklung dieser zu mittelständischen Unternehmen.